Trend zur Transdisziplinarität – Kritische Einordnung einer ambivalenten Praxis qualitativer Stadtforschung*

Kunst – Stadt – Normalität, No 4

Zauberformel Transdisziplinarität
Schrumpfende, endlose, driftende, postapokalyptische Städte: An extremen Zuschreibungen herrscht in der Flut der Stadtforschungspublikationen der letzten zehn Jahre kein Mangel. Bei all diesen flimmernden neuen Namensschöpfungen und halsbrecherischen Konzeptionen ist eines klar: Die Stadt des 21. Jahrhunderts existiert nicht. Urbane Phänomene aber bestimmen die Umwelt und den Alltag der Menschen weltweit. Dabei verschränkt sich das Städtische in höchst dynamischen Beziehungen mit Migrationsprozessen, Warenströmen, mit Daten- und Infrastrukturnetzen – die Illusion von autonomem, objektivierbarem, absolutem Wissen ist angesichts dieser weltumspannenden urbanen Komplexität ad absurdum geführt. Um mit der Vielschichtigkeit und der hohen Veränderungsfrequenz des Phänomens mitzuhalten, versucht sich die Stadtforschung immer wieder neu zu erfinden. Die neuste Zauberformel scheint dabei die Transdisziplinarität1 zu sein (ECKARDT 2009; KNIERBEIN 2011). Dementsprechend halten sich in diesen zahlreich erschienenen Publikationen des letzten Jahrzehnts im angelsächsischen wie auch im deutschsprachigen Raum zwei Aspekte konstant: der hohe ästhetische Anspruch des Erscheinungsbildes, mit welchem die AutorInnen über Fotografien, Grafiken und Karten gleichauf mit Texten die Analyse bestimmen, sowie der Rekurs auf Multi- oder Transdisziplinarität der Inhalte (vgl. BRILLEMBOURG & KLUMPNER 2013; BURDETT & SUDJIC 2007; DIENER, HERZOG, MEILI, De MEURON & SCHMID 2006; KOOLHAAS, BOERI, KWINTER, TAZI & OBRIST 2000; OSWALT & RIENIETS 2006; SCHEPPE 2009). WissenschafterInnen aus den Bereichen Philosophie, Geschichte, Wirtschaft, Sozialwissenschaften und Wahrscheinlichkeitstheorie publizieren gemeinsam mit ArchitektInnen, GrafikerInnen und KünstlerInnen – und am Ende funktioniert die Buchpräsentation nicht ohne Ausstellungsdesign und Art Director.

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Interview mit Anne Huffschmid, Filmstill, 2012.

Die Idee der Transdisziplinarität ist jedoch nichts Neues, sondern in der qualitativen Stadtforschung tief verwurzelt: Will man sich der Komplexität des Städtischen angemessen nähern, müssen andere Perspektiven – etwa aus den Künsten oder der Architektur – miteinbezogen werden, denn sozialwissenschaftliche Methoden können nicht alle lebensweltlichen Phänomene aufzeigen. Diese Nähe der Stadtforschung zur Kunst liegt auf der Hand, sie wird aber beispielsweise im Kontext einer performativen Sozialwissenschaft erst seit Kurzem auch in der Forschungspraxis explizit angewendet (siehe dazu BINDER, NEULAND-KITZEROW & NOACK 2008; JONES et al. 2008; KRASNY & NIERHAUS 2008; STUTZ 2008; WHYBROW 2011). Im akademischen Betrieb sieht sich dieser transdisziplinäre Ansatz trotz der hier kurz umrissenen gegenläufigen Tendenz vielen Widerständen gegenüber. Das Misstrauen gegenüber einer experimentellen Herangehensweise2 und der gleichwohl anhaltende Hype in der Stadtforschung machte mich neugierig. Ausgehend von meinen eigenen empirischen Forschungserfahrungen und Interessen als Stadtethnologin fragte ich mich: Was verstehe ich unter Transdisziplinarität und welche neuen Erkenntnisse bringt der transdisziplinäre Zugang in der Betrachtung des Städtischen? Wie kann Transdisziplinarität produktiv in eine kritische Forschungspraxis umgesetzt und als Strategie für Stadtforschung fruchtbar gemacht werden?

In diesem Artikel befasse ich mich mit transdisziplinären Herangehensweisen, die geeignet sind für eine kritische Forschungspraxis. Dazu führe ich entlang der vorgenannten Fragen eine theoretisch-methodische Besprechung der durchaus ambivalenten Rolle der Transdisziplinarität innerhalb der Stadtforschung durch. Im Folgenden zeige ich zunächst die historische Prägung der in sich heterogenen westeuropäischen Stadtforschung durch Empirie und durch transdisziplinäre Zugänge auf und benenne anhand eines kurzen Rückblicks auf die Methodengeschichte deren wichtigste epistemologische Grundzüge. Insbesondere die aus der postmodernen und poststrukturalistischen Wende3 resultierende Konzeption einer wissenschaftlichen Reflexivität, eine neu bewertete Ethnografie und der Fokus auf die soziale Produktion von Raum durchziehen als drei zentrale sozialwissenschaftliche und erkenntnistheoretische Stränge die aktuelle transdisziplinäre Stadtforschung auf inhaltlicher und struktureller Ebene bis heute. In der kritischen Weiterentwicklung dieser Grundlagen der Stadtforschung sehe ich eine wesentliche Voraussetzung für Forschende, um Transdisziplinarität in eine explizite empirische Praxis zu übersetzen. Die grosse Bandbreite aktueller transdisziplinärer Ansätze bündle ich im Anschluss daran schematisch und lote schliesslich ihre Möglichkeiten und Grenzen für die Stadtforschung aus.

Kloake, Körper, Kunst
Der Wunsch, gesellschaftliche Missstände zu dokumentieren, bestimmte die ersten Stadterkundungen des frühen 19. Jahrhunderts, jenes Moments des europäischen Kolonialismus, als die Metropolen Mittelenglands und Frankreichs unter dem gewaltigen Schock der Modernisierung, ausgelöst durch die Hebelkräfte von Industrialisierung und den deregulierten Kapitalfluss der neuen bürgerlichen Gesellschaft, eine massenhafte Pauperisierung erlebten. Ein ebenso grosser Anreiz für solche urbane Erkundungen war allerdings auch die Lust, die weissen Flecken auf der Stadtkarte wie einen fremden Kontinent zu entdecken. Die ersten Stadtethnografien4 zeichnen sich nicht nur durch die minutiösen Beobachtungen der Alltagssituationen in den Strassen der Arbeiterviertel aus, sondern auch durch die Prämisse des körperlichen Erlebens als Bedingung, um die Erfahrung des »Anderen« später in Worte fassen zu können. Die Lust am Exotischen reichte bis hin zur Kloakenerotik des Arztes, Hygienikers und Sozialreformers Alexandre-Jean-Baptiste PARENT-DUCHÂTELET, der in Vorbereitungen für seinen »Essai sur les cloaques ou égouts de la ville de Paris« (1824) alle Pariser Abwasserkanäle durchwatete (vgl. LINDNER 2004, S.25ff.).

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Sergio Ulloa Nieto. Ohne Titel, Inkjetprint, 2013.

Das Interesse am »Anderen« und dessen qualitative Erforschung bleiben im frühen 20. Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg Konstanten der neu entstehenden und sich etablierenden Sozialwissenschaften, entweder in der Untersuchung fremder Kulturen in anderen Erdteilen5 oder bei der Erkundung von Marginalisierten der eigenen Gesellschaft.6 Die sich damals konstituierenden sozialwissenschaftlichen Disziplinen waren vielstimmig in ihren Ansätzen, sie wurden jedoch von einer sich institutionalisierenden positivistischen Strömung innerhalb der jungen Universitäten dominiert. In der Ausgestaltung des wissenschaftlichen Betriebs setzten sich diese nationalistischen, kolonialen und neokolonialen Strömungen gegenüber anderen, ihnen widersprechenden Ansätzen, durch. Im Rahmen dieser Institutionalisierung stellten sich viele SozialwissenschaftlerInnen in den Dienst des europäischen Kolonialprojektes und trugen mit ihrer Wissensproduktion massgeblich zu dessen Stabilisierung bei, ob in den Kolonien oder in den Metropolen (vgl. DOMOSH 2004; DRIVER 2001).7 Städte wurden im wissenschaftlichen Diskurs durch die Brille des Empire gesehen und am Ideal einer europäischen Moderne gemessen. Diese zeit- und gesellschaftsspezifische historische Verengung des Blicks auf europäische oder US-amerikanische Stadtmodelle wirkt bis heute, ist durch Begrifflichkeiten und Konzepte präsent und tief in die Stadtforschung eingeschrieben. Das daraus resultierende limitierte Analysepotenzial der etablierten Stadtforschung für aktuelle urbane Phänomene des globalen Südens erweitern kritische Forschende fortlaufend durch die sorgfältig differenzierte Verwendung hergebrachter – in dieser Weise situierter und kontextgebundener – theoretischer Konzepte. Die Dezentralisierung der Wissensherstellung ist eine essenzielle Strategie dieser »Provinzialisierung« der Begrifflichkeiten (vgl. CHAKRABARTY 2000; DAVIS 2005; ROBINSON 2003, 2006; ROY 2009).

»The critique of the EuroAmerican hegemony of urban theory is thus not an argument about the inaplicability of the EuroAmerican ideas to the cities of the global South. It is not worthwhile to police the borders across which ideas, policies, and practices flow and mutate. The concern is with the limited sites at which theoretical production is currently theorized and with the failure of imagination and epistemology that is thus engendered.« (ROY 2009, S.820).

Nach dem Zweiten Weltkrieg, welcher für viele europäische liberale WissenschaftlerInnen das Ende ihrer akademischen Tätigkeiten oder ein Exil an aussereuropäische Universitäten bedeutete, begann ein modernistisches Intermezzo in der durch diverse Strömungen durchzogenen westeuropäischen Stadtforschung. Diese Phase wurde durch quantitativ beschreibende, positivistische und standardisierende Ansätze dominiert (vgl. ZENNER 1994). Dem Forschungsgegenstand Stadt wurde man mit dem im institutionellen Gefüge der Hochschullandschaft überwiegenden, quantitativ-orientierten Mainstream jedoch nur in ungenügendem Masse gerecht.8 Um der immer lauteren Kritik an der Verstädterung zu begegnen und auf die drängenden gesellschaftlichen Fragen in den rasant wachsenden Städten Antworten zu finden, begannen SozialwissenschaftlerInnen, neue qualitative Methoden zu entwickeln.

Annäherung von Stadtforschung und Kunst
Zu den wichtigsten Impulsen für eine erneute Ausdifferenzierung empirisch-qualitativer Methoden und die Verfeinerung wissenstheoretischer Zugänge zählte in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre das in den USA von den Soziologen Barney G. GLASER und Anselm L. STRAUSS entwickelte Modell der »Grounded Theory« (2010 [1967]), eine mittlerweile in der qualitativen Stadtforschung in den USA und im deutschsprachigen Raum breit etablierte Methodologie. Den Umstand, dass Forschende, um die Welt beschreiben oder von ihr sprechen zu können, einerseits von ihr abstrahieren müssen und andererseits selbst durch den Forschungsprozess verändert werden, fängt die Grounded-Theory-Methodologie durch einen doppelten Arbeitsbegriff des Forschungsprozesses auf:

»Gegenstand und sich damit forschend befassende Akteure stehen in einer Wechselbeziehung, in der beide einander verändern. (…) Die Grounded Theory findet in dieser Überlegung ihre Begründung für die in der interpretativen Sozialforschung gängige Vorstellung, die Forschenden seien nie allein neutrale Beobachter, sondern zwangsläufig als Interpreten ihrer Daten und als Entscheider über den konkreten Gang der theoretischen Argumentation immer auch Subjekte des Forschungsprozesses.« (STRÜBING 2008, S.15f.).

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Emailverkehr zwischen der Autorin und Anne Kockelkorn, Screenshot, 2012.

Der Soziologe Jörg STRÜBING zieht daraus den Schluss, dass, wenn man wissenschaftliche Arbeit als dialektisches Wechselverhältnis zwischen Subjekt und Objekt definiert, die erarbeitete Theorie immer auch ein subjektiv geprägtes Produkt sein muss, das sich einer vollständigen Objektivierbarkeit entzieht (S.16). Oder, wie es der Philosoph und Pädagoge John DEWEY in Bezug auf die Kunst formulierte: »[…] the expression of the self in and through a medium, constituting the work of art, is itself […] a process in which both of them acquire a form and order they did not at first possess.« (1980 [1934], S.65). Das Interessante für die zeitgenössische Stadtforschung ist, dass über dieses dialektische Verständnis der Wissensproduktion der künstlerische Schaffens- und der wissenschaftliche Forschungsprozess nahe aneinanderrücken. DEWEY lieferte als Protagonist des klassischen US-amerikanischen Pragmatismus in seinem Buch »Art as Experience« (1980 [1934]) ein weiteres wesentliches Argument für die Annäherung ästhetischer Praxen und empirischer Stadtforschung, indem er aufzeigte, dass der künstlerische Schaffensprozess – wie die qualitative Forschungspraxis – auf Alltagserfahrungen beruht.

Eine Annäherung an die Kunst – wenn auch aus ganz anderer Perspektive – taucht ebenfalls beim Raumkonzept des Philosophen und Soziologen Henri LEFEBVRE auf, das er in seinem Buch »The Production of Space« (1991 [1974]) entwickelte. Er verwendet eine doppelte Triade von jeweils drei dialektisch aufeinander bezogenen Dimensionen der Produktion des Raumes: die räumliche Praxis/das Wahrgenommene, die Repräsentation des Raums/das Konzipierte und Räume der Repräsentation/das Erlebte. Diese Begrifflichkeitspaare umfassen zusammen gedacht drei integrale Dimensionen der gesellschaftlichen Raumproduktion: die materiellen Gegebenheiten von Raum, die Produktion von raumbezogenem Wissen und die Produktion von räumlicher Bedeutung. »Die Stadt ist ein Produkt, das erst im komplexen Zusammenspiel von räumlicher Praxis, Repräsentation des Raumes und Räumen der Repräsentation bzw. von Wahrgenommenem, Konzipiertem und Erlebtem entsteht.« (SCHMID 2005, S.20). Das Städtische lässt sich aus dieser theoretischen Perspektive als dynamischer Prozess begreifen, welcher nur in der Verschränkung mit der jeweiligen Gesellschaft erschlossen und verstanden werden kann. Der Geograf Christian SCHMID (S.222ff.) führt in seiner Interpretation von LEFEBVREs Raumtheorie weiter aus, dass in der Dimension des Erlebten das Alltagsleben in Symbolen und Bildern Gestalt annimmt, deren qualitative und dynamische Eigenschaften sich sowohl der Alltagssprache als auch den wissenschaftlichen Diskursen entziehen und nur in Kunst und Poesie angemessen dargestellt werden können: »Die Räume der Repräsentation sind keine Repräsentationen des Raumes und sie verweisen nicht auf den Raum selbst, sondern auf ein Anderes, Drittes. Sie repräsentieren gesellschaftliche ‚Werte‘, Traditionen, Träume – und nicht zuletzt auch kollektive Erfahrungen und Erlebnisse.« (S.223). In den aussergewöhnlichen Momenten, wenn die drei Dimensionen der Produktion des Raumes zusammenfallen würden, entstehe Neues, und der Raum werde mit einer eigenen neuen Symbolik durchdrungen.

»Wichtig erscheinen in diesem Kontext vor allem zwei Aspekte: Erstens der direkte Zusammenhang von Stadt, Raum und Alltag: den Raum spüren, die Stadt treffen, den Alltag transformieren, das liegt für Lefebvre gewissermassen auf der gleichen Stufe. Und dies passiert zweitens dann, wenn die drei Dimensionen der Produktion des Raumes zusammenfallen – und damit in ganz speziellen Momenten: dem Fest, der Revolte.« (S.289).

Um solche Momente9 auszudrücken, muss man sie wahrnehmen, ohne sich mit den üblichen deskriptiven Darstellungen des öffentlichen Raums zu begnügen, und eine andere Ausdrucksform dafür finden. Künstlerische Strategien können dabei Phänomene visualisieren, die sich dem Textlichen und Diskursiven teilweise oder auch gänzlich entziehen, und zwar im Sinne von »sichtbar machen«, nicht im Sinne von »illustrieren«. Gleichwohl verweist die Dimension des Erlebten hauptsächlich auf die Handlung der Subjekte selbst. Denn auch wenn, wie SCHMID ausführt, »Kunst und Poesie diese Räume der Repräsentation darstellen und bis zu einem gewissen Grade auch bestimmen können« (S.222), ist es doch das Alltagsleben, welches den Räumen der Repräsentation Gestalt verleiht.

Alltagserfahrungen erweisen sich demnach für die empirisch-qualitative Forschungspraxis, für den künstlerischen Schaffensprozess und auch in der Raumtheorie LEFEBVREs als Dreh- und Angelpunkt. Über dieses gemeinsame Moment verfestigt sich die Annahme einer Annäherung von Stadtforschung und Kunst deutlich. Das LEVEBVREsche Raummodell liefert hierfür das theoretische Gerüst: In seinem Modell trialektischer Wechselbeziehungen, in dem sich alle drei Dimensionen gegenseitig bedingen, ist die künstlerisch-ästhetische Auseinandersetzung mit Raum konstitutiv. In diesem raumanalytischen Verständnis ist Kunst also nicht das Extra, sondern ein essentieller Bestandteil der Stadtforschung. Für die forschende Praxis transdisziplinärer Projekte bedeutet dies, dass wissenschaftliche Raumanalysen durch den Einbezug anderer Herangehensweisen und Perspektiven an Präzision gewinnen. Dabei bringen gerade künstlerische Blicke bislang verborgene oder ausgeschlossene Aspekte in die Betrachtung städtischer Phänomene mit ein. Das bedeutet aber nicht, dass Kunst in der transdisziplinären Forschungspraxis einfach für die Erfassung des Intuitiven, Sinnlichen, Spirituellen zuständig ist, sowenig wie die Wissenschaft allein für das Analytische, das Strukturierende, Rationalisierende verantwortlich sein soll. In einer kritischen transdisziplinären Forschungspraxis wird versucht, gegen dieses dichotome Wissenschaftsverständnis zu arbeiten. Die verschiedenen Forschungspraxen sind dabei nicht nur komplementär, sondern sie durchdringen sich gegenseitig. Dasselbe urbane Phänomen wird von verschiedenen Praxen aus gesehen und analysiert, indem man sich aus anderen Feldern neue methodische und theoretische Zugänge aneignet.10

Postmoderne und poststrukturalistische Durchdringung der Stadtforschung
Mit diesem kurzen Abriss der wichtigsten Grundzüge einer Theorie- und Methodengeschichte der Stadtforschung wollte ich zeigen, dass eine empirische und körperliche Praxis seit Beginn die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Stadt prägte. Trotz zeitweise starker positivistischer und quantitativer Strömungen hielt sich das Interesse an empirisch-qualitativer Stadtforschung.

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Audiomitschnitt eines Abendessens in der Wohngemeinschaft der Autorin, 2014.

Daraus entwickelte sich eine Forschungspraxis, in der eine transdisziplinäre Annäherung von Stadtforschung und Kunst erprobt und vor allem durch Ansätze aus der Grounded-Theory-Methodologie gefestigt wurde. Die grundlegenden Paradigmenwechsel für die empirische Stadtforschung, welche die hier umrissene transdisziplinäre Annäherung weiter akzentuierten, fanden im Zuge der postmodernen und poststrukturalistischen Wende in den Sozialwissenschaften der 1980er Jahren statt.

Denn obwohl Stadt, wie ich oben zeigte, bereits in den frühen Sozialwissenschaften ein privilegiertes Objekt war, blieb Raum sowohl in der empirischen Forschung wie auch in der Theoriebildung über lange Zeit eine blasse Kategorie. Die nun erfolgte Neubewertung von Raum als gesellschaftsrelevanter Grösse zählt zusammen mit der Hinwendung zur Ethnografie und den Konzeptionen einer wissenschaftlichen Reflexivität zu den wesentlichsten wissenschafts- und erkenntnistheoretischen Annahmen der heutigen transdisziplinären Stadtforschung.11

Transdisziplinäre Strategien der Stadtforschung
Die Umrisse von Transdisziplinarität als einer intuitiv herangezogenen Praxis für sozial interessierte Studien ist rückblickend gesehen schon in den Anfängen der empirischen Stadterkundungen durch ÖkonomInnen oder ÄrztInnen auszumachen. Auch die theoretischen Grundsteine für eine transdisziplinäre Stadtforschung wurden bereits vor Jahrzehnten in stadttheoretischen Konzepten und Perspektiven unter anderen von Robert Ezra PARK, Henri LEFEBVRE oder Michel DE CERTEAU gelegt und gleichzeitig kritisch hinterfragt.

»Das Phänomen Verstädterung kann in seinem gesamten Umfang nicht von einer Spezialwissenschaft methodologisch bewältigt werden. Selbst wenn man als methodologisches Prinzip aufstellt, dass keine Wissenschaft sich selbst aufgeben, vielmehr jede Fachrichtung bis an die Grenzen ihrer Möglichkeiten gehen wird, um ein Phänomen in seiner Gesamtheit erfassen zu können, wird nicht eine behaupten können, sie habe es erschöpfend behandelt. Auch nicht, dass sie es beherrschen und lenken könne. Wenn man das zugibt bzw. postuliert, setzen die Schwierigkeiten erst ein. […] Gelegentlich bleibt die sogenannte interdisziplinäre Forschung offen, oder vielmehr hohl und leer, ohne Abschluss. Zuweilen schliesst sie sich über einer angeblichen Synthesis. So sehr das Phänomen Verstädterung als globale Wirklichkeit unbedingt und dringlich nach Vereinigung der Wissensfragmente ruft, so schwierig oder unmöglich ist es, diese zum Ganzen zu vereinigen.« (LEFEBVRE 1972 [1970], S.61).

Erst die kritische Weiterentwicklung postmoderner und poststrukturalistischer, methodischer und theoretischer Stränge in der Stadtforschung akzentuierte diesen hier von LEFEBVRE umrissenen inter- bzw. transdisziplinären Zugang und ermöglichte den Stadtforschenden dessen Übersetzung in eine explizite empirische und methodische Praxis. Die konkrete Umsetzung der Transdisziplinarität in der gegenwärtigen Stadtforschung nimmt sehr unterschiedliche Formen an. Ich versuche in diesem abschliessenden Abschnitt einige der ausgeprägtesten Tendenzen transdisziplinärer Stadtforschung schematisch zu gliedern und ihre Möglichkeiten und Grenzen auszuloten.

Distinktion durch Redisziplinierung
Obwohl die transdisziplinäre Argumentation in aktuellen Stadtforschungsprojekten Standard ist, bleibt Transdisziplinarität ein sehr komplexes, ambivalentes und umstrittenes Konzept. So ist beispielsweise innerhalb der akademischen Forschung eine mentale und institutionelle Tendenz zur Redisziplinierung erkennbar. Etablierte WissenschaftlerInnen klassischer Disziplinen wie etwa der Soziologie oder der Geschichtswissenschaften stellen sich vermehrt gegen die Transdisziplinierung und beharren auf einer klaren Distinktion einerseits zwischen universitären und ausserakademischen Bereichen und andererseits zwischen den einzelnen wissenschaftlichen Disziplinen. Ihr Ziel ist die Bewahrung der Eigenständigkeit im Wettbewerb der Disziplinen und somit auch die Sicherung des akademische Kapitals. Gleichzeitig wollen sie sich vertieft mit dem Spezifischen der eigenen Disziplin auseinandersetzen, um diese aus sich selbst heraus weiterzuentwickeln. Dieser in seiner Abgeschlossenheit konservative Standpunkt verweist auf die auch für die transdisziplinäre Praxis notwendige wissenschaftliche Selbstverortung.

Selfie der Autorin in einer schlaflosen Nacht, 2014

Selfie der Autorin in einer schlaflosen Nacht, 2014

Denn auch wenn viele WissenschaftlerInnen sich heutzutage nicht mehr über klassische Disziplinen, sondern über Themen wie beispielsweise das Urbane definieren, brauchen auch kritische StadtforscherInnen ein ausgebildetes Bewusstsein, mit welchen Referenzen sie arbeiten. Zudem macht eine solche theorieinformierte methodologische Auseinandersetzung den Austausch zwischen ForscherInnen verschiedener Provenienzen, ArchitektInnen und KünstlerInnen überhaupt erst möglich und ist somit die Voraussetzung für das Gelingen eines transdisziplinären Projektes. Darüber hinaus bedeutet diese Positionierung, sich grundlegend zu fragen, wie Wissen hergestellt wird und wie man mit verschiedenen Formen von Erkenntnisproduktion umgeht. Dies wird dann auch zur politischen Frage, wenn gleichzeitig regionale und gesellschaftliche Asymmetrien mitreflektiert werden: Wo und von wem wird Wissen generiert und wer hat dabei keine Stimme? (KING 1996; SPIVAK 2008 [1988]) – Fragen, die für eine weltweite Auseinandersetzung mit dem Städtischen differenzierter Antworten bedürfen.

Transdisziplinarität light
Parallel zu dieser Redisziplinierungstendenz ist ein regelrechter Boom transdisziplinärer Stadtforschungsprojekte im deutschsprachigen und angelsächsischen Raum auszumachen. Es handelt sich dabei aber oft um Projekte, die sich bei genauem Hinschauen nur auf eine reduzierte Form von Transdisziplinarität einlassen. In dieser Transdisziplinarität light wird von einer Auflösung der Disziplingrenzen gesprochen, was einen Zugang zu einem breit gefächerten Angebot an theoretischen sowie methodischen Ansätzen aus allen Bereichen verspreche und somit in der Praxis leicht anwendbar sei. Durch dieses In-eins-Setzen der Disziplinen ist nicht mehr klar, welcher Zugang welche Fragen beantworten kann. Eine unreflektierte Vermengung der theoretischen Konzepte oder der methodologischen Ansätze führt in eine Sackgasse: Ohne Trennschärfe kann man Dinge nicht produktiv zusammenbringen. In dieser derzeitigen Tendenz der transdisziplinären Stadtforschung, in der das Postulat der Nutzbarmachung von Ergebnissen für Planungs- und Administrationsfragen zuvorderst steht, nimmt die marktgängige Verwertbarkeit der Disziplinen Einzug. Wissenschaftliche Expertise über Theorie und Methodik wird dabei zur Werkzeugkiste reduziert, woraus sich jede und jeder nach Belieben bedienen kann; Wissen oder Erfahrung im Umgang mit Methodik oder mit erkenntnistheoretischen Grundlagen werden nicht vorausgesetzt. Forschung kann so ohne zeitaufwendige Systematik auskommen. Die Belanglosigkeit der Ergebnisse und somit auch die Enttäuschung über solche Forschungsprojekte sind vorprogrammiert. Der vermehrte Einbezug der Kunst in die Forschungslandschaft verstärkt zudem gleichzeitig die voranschreitende Institutionalisierung und »Verwissenschaftlichung« der Künste, eine Entwicklung, die von verschiedenen Seiten kritisch hinterfragt wird (vgl. HOLERT 2011). In der Architektur hingegen wird genau diese »Verwissenschaftlichung« gesucht und gefördert, es handelt sich dabei aber immer noch um eine neuere Tendenz.

Transdisziplinarität »tun«
Wie lassen sich nun aber die jeweiligen Forschungserfahrungen trotz aller Schwierigkeiten und Ambivalenzen des transdisziplinären Zugangs aufeinander beziehen? Wo beginnt das Transdisziplinäre? Der Ausgangspunkt dafür liegt in der Bereitschaft, in Auseinandersetzung mit aus einem anderen Feld kommenden Zugängen zu einem Phänomen eigene Prämissen und somit die eigene Praxis infrage zu stellen und diese zu transformieren. Transdisziplinarität erfordert demnach eine Radikalität, die einerseits eine Reflexion über den eigenen Zugang in der Auseinandersetzung mit anderen Feldern erzwingt und andererseits die Bereitschaft voraussetzt, das eigene Tun inkl. dessen erkenntnistheoretischer Prämissen kritisch zu befragen und befragen zu lassen (HUFFSCHMID & WILDNER 2009).

Transdisziplinarität ist ein in der Stadtforschung breit geteiltes Plädoyer; diese aber in der eigenen Forschungspraxis konsequent durchzudeklinieren, darauf lassen sich nur wenige ein. Die Auffächerung dessen, was Transdisziplinarität sein kann, was sie jeweils konkret in der Forschungspraxis bedeutet und welcher Erkenntnisgewinn daraus erarbeitet werden kann, ist auch für kommende Wissenschaftsgenerationen von Bedeutung. Eine solche schematische Differenzierung erlaubt, Transdisziplinarität als skeptische Abgrenzung bzw. als institutionalisiertes Klischee oder als kritische Praxis zu dechiffrieren. In transdisziplinären Forschungsprojekten bringen die beteiligten Forscher und Forscherinnen unterschiedliche Zugänge der Wissensproduktion in der Praxis zusammen und werden dadurch gezwungen, sich mit der Wissensproduktion als solcher permanent auseinanderzusetzen. Dies ist ein Spannungsfeld, in welchem der transdisziplinäre Ansatz immer wieder diskutiert werden muss: Transdisziplinarität ist ein Produkt performativer Handlungen und wird durch die Beteiligten im Forschungsalltag fortlaufend hergestellt. Ausserhalb institutioneller Regelwerke ist eine solche produktive und explorative oder experimentelle Auseinandersetzung oft weniger Widerständen und Restriktionen ausgesetzt. Das produktive Moment der Transdisziplinarität entsteht in erster Linie durch Offenheit, Reflexivität und durch die Reibung an den Schnittstellen unterschiedlicher wissenschaftlicher Felder. Denn erst durch die Differenz, die Spannung und durch Grenzüberschreitungen entsteht Neues.

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Bildserie zum Text
Dieser Text entstand aus meiner andauernden Auseinandersetzung mit einem weiten Kreis von Personen zum Thema Transdisziplinarität in der Stadtforschung. Interviews, Gespräche, Debatten, Kritik, Zusammenarbeit. Dabei entstand immer wieder ein transdisziplinäres Moment, welches diesen Text in dieser Form überhaupt erst ermöglichte.
Schwierigkeiten der Repräsentation solcher Momente und Prozesse bedeutet nicht, dass ich diese nicht benennen will. Die auf diesen Seiten gezeigte Bildserie – die aus derartigen Auseinandersetzungen hervorging – wird zum Platzhalter der Verhandlungen zwischen der Autorin und dem Künstler, der Grafikerin, der Architektin, der Literaturwissenschaftlerin, des Soziologen, des Geografen und der Kuratorin, im Verlauf derer das oft flüchtige Moment einer Transdisziplinarität hergestellt wurde.
An dieser Stelle möchte ich mich bei René Birrer, Alexa Färber, Anna Frei, Anne Huffschmid, Anne Kockelkorn, Elke Krasny, Gabriela Muri, Christian Schmid, Stephanie Schöll und Sergio Ulloa Nieto bedanken.


* Dieser Text ist eine stark gekürzte und überarbeitete Fassung des gleichnamigen erstmals im Forum Qualitative Sozialforschung FQS erschienen Artikels: Streule, Monika (2014). Trend zur Transdisziplinarität – Kritische Einordnung einer ambivalenten Praxis qualitativer Stadtforschung [27 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 15(1), Art. 17, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs1401175

  1. Unter Transdisziplinarität verstehe ich die Verbindung künstlerischer und wissenschaftlicher Erkenntnis- und Darstellungsweisen (MERSCH & OTT 2007). Diese Auffassung führe ich im Verlauf des Beitrags aus und grenze mich damit von anderen Definitionen ab, welche Transdisziplinarität als Zusammenspiel von Forschung und gesellschaftspolitischer Anwendung im Sinne einer integrativen Forschung (THOMPSON KLEIN et al. 2001) oder als eine rein akademische Angelegenheit verstehen (vgl. MITTELSTRASS 2003).
  2. Mit einem experimentellen Verfahren behalten WissenschaftlerInnen immer die Forschungsfrage im Auge, sie sind jedoch im Sinne lernenden Forschens (vgl. JAKOB 1998) flexibler als in formalisierten oder standardisierten Forschungsabläufen. Eine experimentelle und flexible wie auch theoretisch fundierte Herangehensweise wird in der Stadtforschung (ROBINSON 2011) ebenso wie in der Ethnologie (GREVERUS, MacDONALD, RÖMHILD, WELZ & WULFF 2003) gefordert.
  3. Ich unterscheide zwischen Postmoderne und Poststrukturalismus als zwei in sich heterogenen epistemologischen Perspektiven mit je verschiedenen gesellschaftstheoretischen Denkfiguren. Beide Perspektiven teilen zwar konzeptuelle und begriffliche Überschneidungspunkte, sind jedoch nicht deckungsgleich (vgl. hierzu VILLA 2008). Wie ich in diesem Beitrag ausführe, haben beide Perspektiven für die Stadtforschung entscheidende Impulse geliefert und stehen für einen Paradigmenwechsel in der Auseinandersetzung mit dem Urbanen.
  4. Als eine der ersten Stadtethnografien mit diesem Verständnis ist Friedrich ENGELS‘ Erstlingswerk »Die Lage der arbeitenden Klasse in England. Nach eigenen Anschauungen und authentischen Quellen« (1985 (1845)) zu nennen. Der Gesellschaftstheoretiker und Historiker ENGELS schrieb diese Studie auf der Grundlage seiner Erkundungen der ArbeiterInnenviertel in Manchester von 1842-1844.
  5. Die Begründung der klassischen Ethnologie wird auf Bronislaw MALINOWSKI und dessen Studie »Argonauten des westlichen Pazifik. Ein Bericht über Unternehmungen und Abenteuer der Eingeborenen in den Inselwelten von Melanesisch-Neuguinea« (2001 (1922)) zurückgeführt.
  6. Solche sozialwissenschaftlichen Forschungen in Grossstädten wurden auch ausserhalb von Europa praktiziert und durch die Chicago School of Sociology geprägt. Diese wiederum bezog sich in der ersten Generation stark auf die europäische Soziologie: Der Mitbegründer Robert Ezra PARK war ein Schüler des Soziologen SIMMELs und von dessen Studien zum Grossstadtleben in Berlin beeinflusst (siehe LINDNER 2004, S.33). Aus der für die heutige Stadtforschung nach wie vor wichtigen frühen Chicago School stammen diverse städtische Milieuuntersuchungen, welche durch eine von PARK propagierte journalistische Haltung geprägt waren, in denen insbesondere dunkle und exotische Ecken von Chicago erforscht wurden.
  7. Eine Kritik an diesen positivistischen Tendenzen der Ethnologie und der Stadtethnologie zur Objektivierung und Exotisierung ihres Untersuchungsgegenstandes führten die Ethnologen Richard G. FOX (1972) und Talal ASAD (1973) als Auftakt für spätere postkoloniale Debatten an.
  8. Bis heute sind vor allem qualitative Methoden dazu geeignet, im komplexen Feld des Städtischen empirische Forschung durchzuführen, da sie sich nicht allein auf quantitative Daten stützen, welche häufig durch eine prekäre Datenlage, Korruption, politisches Kalkül und dynamische gesellschaftliche Veränderungen stark verzerrt oder schlicht nicht zugänglich sind.
  9. Mit solchen Momenten städtischer Aufstände beziehe ich mich auf Ereignisse wie beispielsweise die Proteste im Juni 2013 auf dem Taksim-Platz in Istanbul oder im Frühling 2012 auf dem Tahrir-Platz in Kairo. Hier fanden AktivistInnen ihre Aktions- und Ausdrucksformen unter anderem durch Besetzung und Umdeutung zentraler urbaner Räume, wodurch sie selbst wiederum Teil einer kollektiven Erfahrung wurden (vgl. dazu auch SWYNGEDOUW 2011).
  10. Ein dahin gehend bemerkenswertes Projekt ist Global Prayers. Redemption and Liberation in the City. Das vom Berliner Stadtforschungsverein metroZones initiierte Forschungsprojekt vergleicht seit 2010 die Manifestationen des Religiösen in acht Megastädten und untersucht die neuen religiösen Bewegungen als ein städtisches Phänomen globalen Ausmasses. In der empirischen Praxis zielt »Global Prayers« darauf ab, ein dichotomes Wissenschaftsverständnis aufzuheben und in der Kooperation von KünstlerInnen und Sozial- und GeisteswissenschaftlerInnen stereotype Rollenmuster aufzulösen (vgl. dazu auch BECKER, KLINGAN, LANZ & WILDNER 2013).
  11. Ausführlicher hierzu schreibe ich in der Originalfassung des Artikels (siehe Forum Qualitative Sozialforschung, 15(1), Art. 17, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs1401175 )
Verschlagwortet mitKunst – Stadt – Normalität, No 4

Über Monika Streule

Monika Streule ist Stadtethnologin und promoviert derzeit am Departement Architektur der ETH Zürich zum Thema Urbanisierungsprozesse von Mexiko-Stadt. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen in der empirischen qualitativen Raumanalyse, in der Entwicklung transdisziplinärer Techniken und multilokaler Methoden sowie in raumzeitlichen Fragstellungen.

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